Nachlese zum Podium vom 16.1.2020: Durcheinander.

Durcheinander war nach unserer Podiumsdiskussion leider nicht nur unser Informationsmaterial, sondern durcheinander waren auch einige Menschen, die aus Angst vor Gewalt den Raum verlassen haben.

Bereits im Eingangsstatement von Naïla Chikhi hielt eine Gruppe von Störer*innen Plakate hoch, die uns Rassismus vorwarfen und uns mit den NSU-Morden  in eine Reihe stellten. Dann wurde die Bühne mit einem großen Leintuch-Banner, gehalten von mehreren Leuten besetzt. Und auch wenn weitergehende Gewalt von dieser Gruppe erklärtermaßen nicht geplant war, war die Atmosphäre so aufgeladen, dass sie von vielen Anwesenden als Furcht erregend empfunden wurde. Im Hintergrund des Saals kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung aus bisher ungeklärter Ursache (unerlaubtes Filmen?), bei der ein Infotisch umgeworfen wurde. Spätestens da wurde auch aus dem Publikum die Polizei gerufen. Und erst als die Polizei da war, konnte die Veranstaltung fortgesetzt werden. Lebt man so Meinungsfreiheit, oder erzeugt man so Sprechverbote und Angstatmosphäre?

Durcheinander war damit auch unser Zeitplan, aber nicht die Diskussion, die wir fortsetzen konnten (was die Presse leider nicht immer richtig mitbekommen hat). Herzlichen Dank an Moderatorin, Podiumsteilnehmende und rund 40 Anwesende, die abgewartet hatten, bis wieder Gesprächsatmosphäre im Saal herrschte, und die sich lebhaft am Publikumsteil der Diskussion beteiligten. Sehr viel später als geplant, schlossen wir dann die Veranstaltung ab.

Enttäuschend fanden wir, dass keine*r der Störer*innen und niemand von ihren Unterstützer*innen den Mut hatte, da zubleiben und zur Diskussion beizutragen. Wir haben keine Argumente gehört, sondern nur Banner und Versatzstücke ins Gesicht gehalten und geschrien bekommen. Ziel schien zu sein, eine Diskussion gar nicht zu zulassen, sondern die Veranstaltung zu verhindern.

Durcheinander gebracht haben die Störer*innen für sich die Sache mit der Einseitigkeit: Wer unsere Einladung gelesen hat weiß, dass andersherum die Einseitigkeit des offiziellen Rahmenprogramms zur Ausstellung 2019 schon damals kritisiert wurde, und dass das Versprechen einer Einladung zur Diskussion an die Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung nicht erfüllt wurde. Wir wollten bewusst ein Podium für die dort fehlende Gegenposition sein – und wir waren offen für alle Diskussionsbeiträge aus dem Publikum im Rahmen der Podiumsdiskussion. Dass es keine Diskussionsbeiträge von Andersdenkenden gab, sondern Banner, eine Bühnenbesetzung und danach gähnende Leere auf den Stühlen der Störer*innen, ist nicht unsere Wahl gewesen. Wer zugehört hat, weiß außerdem, dass insbesondere die Position von Uwe Paulsen nicht identisch ist mit der von Naïla Chikhi oder Ingrid König. Und dass jede der Personen aus ihrer eigenen Lebenswirklichkeit und -sicht heraus gesprochen hat.

Wohl nicht durcheinander gebracht, sondern absichtlich diffamierend ist der Vorwurf des Rassismus, wenn es um Kritik an frauenverachtender und menschenfeindlicher Religionsinterpretation und politischer Interessensdurchsetzung geht. Dass man dafür auch noch die Mordopfer der NSU  instrumentalisiert, empfinden wir als unerträglich.

Wir sind von mehreren Teilnehmer*innen, die bis zum Schluss geblieben sind, gebeten worden, an dem Thema dran zu bleiben und weiter eine kritische Stimme zu sein. Ganz sicher werden wir weiter daran arbeiten, für alle Mädchen und Frauen ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben zu erreichen – unabhängig von ihrer Herkunft und Weltanschauung. Da lassen wir uns nicht durcheinander bringen!

Auf dem Podium: Ingrid König, Moderatorin Fatma Keser, Uwe Paulsen und Naïla Chikhi. (Bild: K. Wenzel)

Presse-Berichte aus erster Hand – Dass die Veranstaltung abgebrochen wurde, ist ein falscher Eindruck, da die Journalistin zu früh gehen musste, um die Redaktions-Deadline einzuhalten. Er ist im späteren Artikel dann auch korrigiert.

https://www.emma.de/artikel/das-ist-antidemokratisch-337441 : Interview mit Naïla Chikhi – Info aus erster Hand

https://m.faz.net/aktuell/rhein-main/podiumsdiskussion-zum-thema-kopftuch-endet-im-studierendenhaus-der-goethe-universitaet-in-schlaegerei-16585977.html

https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/polizei-ermittelt-nach-pruegelei-bei-kopftuch-debatte-16587737.html

Unsere Einladung und Pressemeldung zur Veranstaltung:
http://www.frauenrechte-rheinmain.de/2019/11/vorankundigung-16-01-2020-podiumsdiskussion-verschleierung/

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