Was bringt uns deutschen ZuschauerInnen ein dokumentarischer Filmvergleich zwischen der Abtreibungspraxis in Südafrika und in Polen?
Kurz zusammengefasst:
- tatsächlich neue Erkenntnisse
- das Kennenlernen einer sehr sympathischen und engagierten Filmemacherin
- eine intensive Diskussion über reproduktive Selbstbestimmung der Frau, auch in Deutschland
Im Film selbst wird am Beispiel Südafrikas schnell deutlich, dass eine liberale Abtreibungsgesetzgebung nicht zwangsläufig eine liberale Abtreibungspraxis ermöglicht. Moralische und religiöse Werte, vor allem der im Gesundheitswesen Beschäftigten, aber auch die der ausländischen Geldgeber der NGOs sind in der Realität unüberwindbare Hindernisse.

Sarah Diehl und Bettina Renfro Koordinatorin der TERRE DES FEMMES SG Rhein-Main im Gespräch mit TeilnehmerInnen der Veranstaltung
In beiden Ländern ist es für Frauen extrem schwierig, selbst zu entscheiden, ob sie ein Kind austragen wollen oder nicht. In beiden Ländern werden die Frauen in die Illegalität gezwungen und so entscheidet letzten Endes immer noch der Geldbeutel und die medizinische Ausstattung, ob die Frauen gesundheitliche Folgeschäden davon tragen oder gar ihre Entscheidung mit dem Tod bezahlen.
Sarah Diehl, die Filmemacherin begrüßte uns sehr freundlich und machte gleich deutlich, dass sie diesesThema weiterverfolgen wird. Sie unterstützt das Projekt Frauenkasse Berlin, das ungewollt Schwangeren in sozialer Not ermöglichen soll, das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung wahrzunehmen.
Ihr nächstes Filmprojekt heißt „Pregnant Journeys“ und berichtet über den nach wie vor existierenden Abtreibungstourismus in Südamerika, Südafrika und Deutschland. Ein Fallbeispeil aus Trier zeigt, dass Frauen auch in Deutschland auf Reisen gehen müssen, um einen Arzt zu finden , der eine Abtreibung vornimmt, die bereits durch eine Zwangsberatung genehmigt ist.
In der sehr engagierten Diskussion im Anschluss an den Film ging es zunächst um die „ethische“ Verantwortlichkeit der Filmemacherin. Im Film schildert eine 16-jährige schwarze Südafrikanerin ihre auswegslose Lage. Nach einer Vergewaltigung schwanger geworden, wird sie von ihrer Familie verstoßen und lebt nun auf der Straße. Nach dem Ende der Filmarbeiten verschwand sie wieder in der Anonymität.
Eine im Film gezeigte Abtreibungssituation wird von den Zuschauer/innen ambivalent wahrgenommen. Sarah Diehl steht zu der realistischen Darstellung. Eine Abtreibung ist kein schwieriger Eingriff, sie plädiert für einen offenen Umgang damit. Gerade durch das „Nicht“ zeigen, das Verschweigen, wird das Thema tabuisiert. Mangelhaftes bzw. überhaupt kein Wissen darüber erleichtert die Angsteinflößung und die Dämonisierung. Auch die anwesenden Frauen von Pro Familia plädierten engagiert für den offenen Umgang mit Abtreibung.
Interessant war auch die Feststellung, dass Schwangerschaftsabbruch wohl immer noch kein Thema in der Ärzteausbildung ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Ärzte von sich das Eigenbild als Lebensschützer haben. Die Idee vom Selbstbestimmungsrecht der Frau ist meistens nicht präsent.
Auch wenn die Situation, was Abtreibungen in Deutschland betrifft, insgesamt recht positiv zu bewerten ist – die Zahl der Abtreibungen stagniert bzw. geht zurück als Folge einer besseren Aufklärung und Verhütung. Junge Mädchen haben u.a. die Möglichkeiten, sich über eine Abtreibung beraten zu lassen, ohne dass die Eltern es wissen – so bleibt die Tatsache, dass weiterhin Frauen in Deutschland kein absolutes Recht auf reproduktive Selbstbestimmung haben. Abtreibungen sind nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt, es wird eine Zwangsberatung vorgeschrieben und konservative religiöse Institutionen gewinnen immer mehr an Einfluss. Vor allem im Internet sind die Aufklärungsgegner, mit als Beratung und Aufklärung getarnter Propaganda. omnipräsent. Selbsternannte „Lebensschützer“ organisieren Demonstrationen in deutschen Städten und Vertreter aus Kirche und Politik senden Grußbotschaften.
Leider mussten auch wir an diesem Abend feststellen, dass nicht wirklich viele Frauen und Männer an diesem Thema interessiert sind. Vielleicht sahen viele auch nicht den Bezug zu ihrer individuellen Situation in Deutschland. Aber das Thema ist aktueller denn je. Zwar kennen junge Frauen heute meistens ihre Rechte und doch ist ein Zurückfallen in alte konservative Denk- und Verhaltensmuster beobachtbar. Wir wollen, dass das Thema Abtreibung enttabuisiert und entdämonisiert wird, dass alle Frauen das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung haben. Alleine sie entscheiden, ob sie ein Kind austragen wollen oder nicht und keine von ihnen wird ihre Entscheidung leichtfertig treffen.